Dombauhütte Köln

Bereits 1921 regte der Zentral-Dombau-Verein den Guß einer neuen Glocke an. Kölner Bürger, darunter auch Oberbürgermeister Konrad Adenauer, richteten ein Schreiben an den Reichskanzler, in dem um Überlassung von Metall gebeten wurde und das Erzbischof Kardinal Schulte am 15.1.1922 einreichte. Auf eine europaweite Ausschreibung der Glocke, die als Schlagton ein reines 'C', als ersten Oberton aber ein 'e' haben sollte, ging nur ein einziges Angebot ein, das die Firma Ulrich in Apolda abgegeben hatte. dieser erteilte das Metropolitankapitel bereits am 13. März 1922 den Auftrag zum Guß der Glocke, der am 5. mai 1923 erfolgte. Den Schmuck hatte der Bildhauer Heinrich Renard entworfen.

Die Zurückhaltung der europäischen Glockengießereien, den Auftrag für die Domglocke anzunehmen, war nicht nur mit dem Mißgeschick des Andreas Hamm in Frankenthal zu erklären, dessen Betrieb nach dem dreimaligen Guß der Kaiserglocke in Konkurs ging. Auch die Forderung nach der großen Terz als erstem Oberton erschien unerfüllbar, erklingt bei Glocken ab einer bestimmten Größe doch stets eine kleine Terz. Heinrich Ulrich nahm den Auftrag auch nur an, weil er einen Ausweg wußte. Er kannte nämlich die größte mittelalterliche Glocke, die Gloriosa in Erfurt, die auch eine große Terz hervorbringt. Diese vermaß er sorgfältig, rechnete die Maße auf 'C' um und formte danach die Rippe der Petersglocke. Die Aufregungen, die die einmalige Aufgabe dem schwergewichtigen Mann abverlangte, ruinierten seine Gesundheit, so daß er bereits im Februar 1924 verstarb, ohne die Glocke läuten gehört zu haben.

Die Gießerei Ulrich, die wegen der Geldinflation keine realistische Kostenrechnung vornehmen konnte, verweigerte die Herausgabe der fertigen Glocke und verlangte 5000 Dollar zusätzlich. Spontan bildete sich in Köln ein Verein, der bis Dezember 1923 die Summe zusammenbrachte. Ungeahnte Schwierigkeiten bereitete jedoch der Transport, der erst nach langen Vorbereitungen am 10.11.1924 nach einem sorgsam ausgearbeiteten Plan begann. Am 14.11. traf die Glocke endlich im Kölner Hafen ein, weil nur hier ein Kran zur Verfügung stand, der sie von dem eigens konstruierten Eisenbahnwagen auf einen Tieflader heben konnte.

Am 30. November 1924 weihte Erzbischof Kardinal Joseph Schulte vor dem Hauptportal des Domes die Glocke auf den Namen der Dompatrons, des heiligen Petrus. Um seine Ansprache der riesigen Menschenmenge verständlich zu machen, wurden erstmals Lautsprecher eingesetzt. Da die 3,20 Meter hohe und 3,22 Meter breite Glocke nicht durch die nur 1,84 Meter breiten Türen paßte, mußte der Mittelpfeiler des Hauptportals mit der Statue der Maria ausgebaut werden. Der Transport in den Glockenstuhl in 53 Meter Höhe dauerte mehrere Wochen. An Heiligabend sollte sie zum erstem Male läuten. Als nach langem Vorschwingen endlich die ersten drei Schläge ertönten, riss das Seil der Läutemaschine, und die Glocke blieb stumm. Erst nach monatelangen Arbeiten an Klöppel und Aufhängung gelang am 10. Oktober 1925 ein erstes feierliches Geläute mit allen Domglocken.

Die Petersglocke, von den Kölnern liebevoll 'Der dicke Pitter' genannt, ist mit zahlreichen Inschriften, figürlichen Darstellungen und Wappen verziert. Der bekannteste Spruch lautet:

St. Peter bin ich genannt
schütze das deutsche Land.
Geboren aus deutschem Leid
ruf ich zur Einigkeit.

Musikalisch ist die Glocke, ganz im Gegensatz zur Kaiserglocke, ein einzigartiges Meisterwerk. Ihr tiefes 'C' legt den Grund für den feierlichen C-Dur-Akkord, innerhalb dessen die Melodie 'g-a-h' der drei alten Domglocken schwingt. Nach oben wird der Akkord durch die Ursulaglocke (1862, 'c 1'), die Kapitelsglocke (1911, 'e 1') und die Aveglocke (1911, 'g 1') ergänzt. Kenner behaupten, kein anderes Geläute könne sich mit dem des Kölner Domes messen. (AW)

Das Läuten einer übergroßen Glocke wirft enorme technische Schwierigkeiten auf, um deren Überwindung sich Generationen von Fachleuten bemühten. So mußten auch bei der Petersglocke Klöppel und Aufhängung mehrmals geändert werden, ohne daß ein wirklich einwandfreies Läuten erreicht wurde. Außerdem trat 1952 ein Riss auf, dessen Schließung durch autogenes Schweißen erst bei einem zweiten Versuch 1956 gelang. Doch die ungleichmäßigen Anschläge, die harten Prellschläge und die unschönen Aussetzer blieben. Erst 1984 wurde auf Vorschlag von Dombaumeister Wolff eine elektrische Lichtschranke eingebaut, die die beiden Motoren abschaltet, sobald ein bestimmter Läutewinkel überschritten wird. Die Petersglocke reguliert ihre Kraftzufuhr also selbst und läutet seitdem gleichmäßig. Sie ist immer noch die größte schwingende Glocke der Welt.
Prof. Dr. Arnold Wolff, Dombaumeister a.D.