100 Jahre Petersglocke

IM JAHRE 1922 [sic] NACH CHRISTI GEBURT, 600 JAHRE NACH DER DOMWEIHE, UNTER DER REGIERUNG DES PAPSTES PIUS XI, DES ERZBISCHOFS KARL JOSEPH KARDINAL SCHULTE […] WURDE ICH ZU APOLDA VOM MEISTER HEINRICH ULRICH GEGOSSEN […]


Vor 100 Jahren, am 5. Mai 1923 - nicht bereits 1922, wie ursprünglich geplant und wie in der zitierten Inschrift der Glocke zu lesen -, wurde die Petersglocke im thüringischen Apolda gegossen. Mit einem Durchmesser von 3,22 Metern und einem Gewicht von 24 Tonnen war sie bis Ende des 20. Jahrhunderts die größte freischwingende Glocke der Welt. Auch wenn sie diesen Rekord nicht mehr hält, tut dies ihrer Bedeutung und der emotionalen Bindung der Kölner zu ihrer Glocke keinen Abbruch.



»Wenn das Prunkstück unter den Glocken des Domes läutet, hält die ganze Stadt inne. Das war zuletzt wieder in beeindruckender Weise zu erleben, als das wuchtige, tiefe C des ›Decken Pitters‹ zum Gedenken an den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. zu hören war: Die Menschen bleiben stehen, der Alltag bricht auf, der Dom hat das Wort.«
Dompropst Msgr. Guido Assmann

1918
Die Kaiserglocke wird eingeschmolzen


Die Petersglocke hat eine berühmte Vorgängerin, die 1874 von Andreas Hamm in Frankenthal gegossene Kaiserglocke. Aufgrund der Materialknappheit im Deutschen Reich während des Ersten Weltkriegs wurde sie zwischen Mai und Juli 1918 zerlegt, um sie für Rüstungszwecke einzuschmelzen. Dennoch hatte der Kölner Dom noch Glück im Unglück. Während er während des Krieges nur eine einzige Glocke verlor, wurde die Mehrzahl der Glocken in Deutschland und in den besetzten Gebieten eingeschmolzen.
Die Zerlegung der Glocke erfolgte in mühevoller Handarbeit.
Die Zerlegung der Glocke erfolgte in mühevoller Handarbeit.
Zunächst wurden Bohrlöcher angelegt, in die mit schweren Hämmern Stahlkeile eingetrieben wurden.
Zunächst wurden Bohrlöcher angelegt, in die mit schweren Hämmern Stahlkeile eingetrieben wurden.
Auf diese Weise wurde die Glocke zunächst in Ringe und dann in einzelne Segmente zerlegt.
Auf diese Weise wurde die Glocke zunächst in Ringe und dann in einzelne Segmente zerlegt.
Die einzelnen Segmente wurden mit einem Kettenzug abgelassen.
Die einzelnen Segmente wurden mit einem Kettenzug abgelassen.

1922
Die Pläne zu einer neuen Großglocke werden konkret


1921 gab es konkrete Pläne des Domkapitels und des Zentral-Dombau-Vereins, eine neue Großglocke gießen zu lassen. Am 15. Januar 1922 sandten Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte, Oberbürgermeister Konrad Adenauer und zahlreiche weitere Persönlichkeiten ein Schreiben an Reichskanzler Constantin Fehrenbach, in dem sie um »kostenlose Überweisung des Metalls für einen neuen Guß« baten. Angesichts der Besetzung des Rheinlandes durch die Siegermächte schlug das Schreiben deutlich nationale Töne an.
Kölner Bürger aller Konfessionen, Parteien und der verschiedenen Berufsstände vereinigen ihre Bitte in der Überzeugung, daß die Widergewinnung der großen Domglocke von weittragender Bedeutung für die von den Siegern besetzte Grenzmark ist.

5. Mai 1923
Der Guss der Petersglocke


Nachdem zahlreiche Glockengießer die Ausführung der Glocke wegen des hohen Risikos abgelehnt hatten, erhielt am 13. März 1922 die Glockengießerei Gebrüder Ulrich in Apolda den Auftrag, die 500 Zentner schwere Glocke zu gießen. Der gewünschte Schlagton war co. Schwierigkeiten bei der Beschaffung der finanziellen Mittel sowie beim Bau eines zweiten Gussofens sorgten dafür, dass sich der für 1922 geplante Gusstermin verzögerte. Der Guss erfolgte am Abend des 5. Mai 1923, dauerte neun Minuten und 32 Sekunden. Der gewünschte Schlagton wurde erreicht.
Petersglocke mit Glockengießermeister Ulrich vor der Gießerei.
Petersglocke mit Glockengießermeister Ulrich vor der Gießerei.
Petersglocke mit Belegschaft der Glockengießerei.
Petersglocke mit Belegschaft der Glockengießerei.

Die Glockenzier wurde von Heinrich Renard und E. Haller entworfen. Unter einem Engelreigen nennt die Inschrift das Jahr 1922 sowie die Namen des Papstes, des Erzbischofs, sämtlicher Mitglieder des Domkapitels und des Gießers. Ferner wird die Finanzierung durch das Deutsche Reich, Preußen und »vaterländisch gesinnte Bürger« hervorgehoben. Die Seiten sind mit Bildnissen Christi, des Dompatrons Petrus, der Stadtpatrone Ursula und Gereon sowie durch weitere Inschriften und Wappen geschmückt. Der patriotische Ton der Inschriften bezieht sich auf den verlorenen Weltkrieg und die zu dieser Zeit anhaltende Besetzung des Rheinlandes durch Truppen der Siegermächte.

ST. PETER BIN ICH GENANNT // SCHÜTZE DAS DEUTSCHE LAND // GEBOREN AUS DEUTSCHEM LEID // RUF ICH ZUR EINIGKEIT

1924
Der Transport der Glocke nach Köln


Die Ankunft der Glocke in Köln ließ über ein Jahr auf sich warten. Nach der Besetzung des Ruhrgebietes Anfang 1923 befürchtete man, die Glocke könnte für ausstehende Reparationszahlungen beschlagnahmt werden. Am 10. November 1924 begann die Glocke schließlich ihre Reise von Apolda nach Köln. Hier traf sie am 14. November auf einem eigens gebauten Waggon der Reichsbahn ein und wurde im Kölner Rheinhafen auf einen Wagen verladen. Von tausenden Kölnern begleitet wurde sie zum Dom gebracht und vor dem Westportal aufgestellt.
Mit Hilfe eines Schleppers und großer Gleithölzer wird die Glocke von der Gießerei zum Bahnhof Apolda gebracht.
Mit Hilfe eines Schleppers und großer Gleithölzer wird die Glocke von der Gießerei zum Bahnhof Apolda gebracht.
Für die nur etwa einen Kilometer lange Strecke benötigte die Glocke 29 Stunden.
Für die nur etwa einen Kilometer lange Strecke benötigte die Glocke 29 Stunden.
Am 14. November wird die Glocke mit Hilfe des Herkuleskrans im Kölner Rheinhafen auf einen Wagen verladen.
Am 14. November wird die Glocke mit Hilfe des Herkuleskrans im Kölner Rheinhafen auf einen Wagen verladen.
Mit Buchsbaumgebinden geschmückt, wurde die Glocke von dort zum Kölner Dom gebracht.
Mit Buchsbaumgebinden geschmückt, wurde die Glocke von dort zum Kölner Dom gebracht.
Auf dem gesamten Weg begleiteten sie tausende Kölner, und auch vor dem Dom hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden, um die neue Glocke zu begrüßen.
Auf dem gesamten Weg begleiteten sie tausende Kölner, und auch vor dem Dom hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden, um die neue Glocke zu begrüßen.
Vor dem Hauptportal war eine Rampe aufgebaut, auf der man die Glocke platzierte.
Vor dem Hauptportal war eine Rampe aufgebaut, auf der man die Glocke platzierte.

30. November 1924
Weihe der Petersglocke


Am 30. November 1924 wurde die vor dem Hauptportal stehende Petersglocke schließlich durch den Kölner Erzbischof Kardinal Schulte geweiht. Etwa 20.000 Menschen sollen der Feier beigewohnt haben. Für Ehrengäste, Chöre und Musiker waren vor dem Portal eigene Bereiche abgetrennt worden. In seiner Ansprache drückte der Kardinal den Wunsch aus, dass »die Riesenglocke unseres ragenden herrlichen Domes uns ein Sinnbild werden soll von des deutschen Volkes und des Deutschen Reiches Einheit und zugleich Symbol des langersehnten endlichen Friedens und der Völkerversöhnung.«
Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte während seiner Festpredigt.
Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte während seiner Festpredigt.
Deutlich sind vor dem Portal die abgesperrten Bereiche für die Ehrengäste und Musiker zu erkennen.
Deutlich sind vor dem Portal die abgesperrten Bereiche für die Ehrengäste und Musiker zu erkennen.

6. Dezember 1924
Aufziehen der Glocke


Nachdem am 3. Dezember 1924 die Vorarbeiten begonnen hatten, gab Dombaumeister Bernhard Hertel am 6. Dezember im Beisein des Domkapitels um 8:00 Uhr das Signal zum Aufziehen der Petersglocke. An zehn Seilen wurde sie mit Hilfe von zwei Handwinden, die von acht Arbeitern bedient wurden, in den Glockenstuhl auf 53 Metern Höhe gezogen. Für einen Meter brauchte die Glocke etwa fünf Minuten. Das erste Läuten an Heiligabend 1924 misslang, sodass die Glocke erstmals am 28. Oktober 1925 zu hören war.
Die Glocke wird vom Hauptportal in die Südturmhalle des Domes gebracht.
Die Glocke wird vom Hauptportal in die Südturmhalle des Domes gebracht.
Auf ihrem Weg in den Glockenstuhl passiert die Glocke das 1. Obergeschoss des Südturmes.
Auf ihrem Weg in den Glockenstuhl passiert die Glocke das 1. Obergeschoss des Südturmes.

Der Dicke Pitter in Zahlen


MaterialBronze
Schlagtonc0
Gewicht24.000 kg
Durchmesser3,22 m
Höhe3,2 m
Aufhängung (Südturm)ca. 53 m Höhe
Gewicht Klöppelca. 600 kg
KulturstiftungDombau Verein