Johannes-Passion von Bach im Kölner Dom - Freitag, 31.03.2023 um 20:00 Uhr

Leiden, Sterben, Tod und Trauer, aber auch Sehnsucht, Gottessuche und Reue hat Johann Sebastian Bach in Musik übersetzt. Seine Passionen sind echte „Klassiker“ und eine gute Einstimmung auf die Kar- und Ostertage.

27.03.2023Von Beatrice Tomasetti


Nicht oft wird eine der beiden großen Bachschen Passionen im Kölner Dom aufgeführt. „Dabei gehört eine solche Musik mit ihrer Erzähl- und Andachtsperspektive, die gleichzeitig auch Glaubenszeugnis ist, unbedingt in die Kirche und nicht nur in den Konzertsaal“, argumentiert Winfried Krane. „Denn nirgendwo passt diese hochempfindsame und tief religiöse Musik besser hin als in den sakralen Raum. Denn hier entfaltet sie ihr ganzes Potenzial, den Zuhörer im Glaubensvollzug des christlichen Leidensgeschehens wirklich weiterzubringen.“

Daher steht die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach, die am Karfreitag 1724 in der Leipziger Nikolaikirche uraufgeführt und ehemals von dem Thomas-Kantor für den Gottesdienst geschrieben wurde, an diesem Freitag auch auf dem Programm der „Geistlichen Musik am Dreikönigenschrein“, die von der Domkantorei Köln und der Kölner Domkapelle unter der Leitung von Krane gestaltet wird. „Hier unter dem Vierungsstern der Kathedrale ist der passendste Ort für geistliche Musik, die heutzutage sonst in der Liturgie keinen Platz mehr hat“, ergänzt der Kirchenmusiker und Leiter der Musikschule der Kölner Dommusik. 

Und die zeitliche Nähe zum Palmsonntag, an dem in der Heiligen Messe immer die Leidensgeschichte nach einem der Evangelisten verlesen wird, biete das zusätzliche Angebot, sich von diesem Geschehen auch sinnlich ansprechen, emotional bewegen und damit unmittelbar einbeziehen zu lassen. „In dieser Musik geht es darum, Gemütsbewegungen und Gefühle auszulösen, die uns ganz nah an das heranführen, was im Evangelientext – von Chören, Chorälen und Arien ergänzt – berichtet wird“, unterstreicht Krane. Diese Art von Oratorium sei letztlich einer der eindringlichsten Zugangswege zum Leiden und Sterben Jesu Christi. 

Was macht das mit mir? Was habe ich damit zu tun? Das seien Fragen, die eine solche Komposition – wie kaum eine andere – umso selbstverständlicher stelle. „Auch wenn eine Passion heute zum Konzertrepertoire eines guten Oratorienchores gehört, dürfen wir nicht vergessen, dass diese Musik vor allem spirituell berühren will und dazu da ist, das Erzählte mit eigenen Bildern zu füllen, eine Art Kopfkino zu schaffen und eine höchstmögliche Identifikation für die gläubige Gemeinde zu ermöglichen“, erläutert Krane. „Wir müssen uns als Dommusik mit einer solchen Passionsmusik beteiligen, mit ihr in der österlichen Bußzeit präsent sein, gerade weil sie tief theologische Aussagen macht und gleichzeitig ein klar formuliertes Glaubensbekenntnis ist – wie es beispielsweise im Eingangschor mit ‚Herr, unser Herrscher…’ oder dem Schlusschoral des ersten Teils ‚Christus, der uns selig macht’ formuliert wird.“

Die Johannes-Passion (BWV 245) gilt neben der noch umfangreicheren Matthäus-Passion als die einzige vollständig erhaltene authentische Passion von Bach. Sie ergänzt den Evangelienbericht nach Johannes von der Gefangennahme und Kreuzigung Jesu durch Choräle und frei hinzu gedichtete Texte und gestaltet ihn musikalisch in einer Besetzung für vierstimmigen Chor, Gesangssolisten und Orchester. Und sie ist die früheste der heute bekannten Passionsmusiken Bachs. Da in der Literatur von insgesamt fünf ursprünglich einmal komponierten Passionen die Rede ist, halten es Musikwissenschaftler für möglich, dass Bach bei Teilen der Johannes-Passion auf ein früheres Werk zurückgegriffen hat, das ein Biograph des 19. Jahrhunderts auf 1717 datiert, über das jedoch keine sichere Aussage möglich ist. Von der erstmals zur Aufführung gebrachten Fassung des Werks sind lediglich Einzelstimmen erhalten, die jedoch große Ähnlichkeit mit der heute verbreiteten Fassung aufweisen. Wesentliche Unterschiede sind eine einfachere Satzweise, eine kürzere Fassung von Satz 33, der vom Zerreißen des Vorhangs im Tempel berichtet, und vermutlich noch fehlende Stimmen für Querflöte. 

Bach selbst soll das Werk mehrfach umgeschrieben haben. Man nimmt an, dass er bereits 1725 eine andere als die vorherige Version aufführt, weil er selbst für Variationen sorgen wollte, die er später aber dann doch wieder rückgängig gemacht hat. So ersetzte er den Anfangs- und Schlusschor durch zwei Choralbearbeitungen, „O Mensch, bewein dein Sünde groß" und „Christe, du Lamm Gottes", tauschte eine Reihe von Rezitativen und Arien aus und schuf Satz 33 in seiner heute bekannten Form. Möglicherweise stammt ein Teil der eingefügten Sätze aus einem bereits in Weimar entstandenen Werk; außerdem wollte der Komponist eventuell die Passion durch die Veränderungen mehr der Reihe der Choralkantaten angleichen, die er im Jahrgang 1724/25 systematisch schrieb. Doch solche Interpretationen bleiben im Vagen. 1728 oder 1732 – auch das gehört in den Bereich der wissenschaftlichen Theorie – muss Bach die wesentlichen Änderungen der zweiten Fassung rückgängig gemacht haben. Er entfernte darüber hinaus – möglicherweise auf Anordnung – alle Textstellen, die aus dem Matthäusevangelium stammten, darunter beispielsweise die Erdbebenszene, sowie die Sätze, die sich unmittelbar auf diese bezogen. 

Als Ersatz fügte er zwei heute verschollene Sätze ein, vermutlich eine Tenor-Arie und eine instrumentale Sinfonia. Ende der 1730er Jahre begann Bach mit einer korrigierten Abschrift der originären Fassung, die womöglich für eine 1739 geplante, aber nicht ausgeführte Aufführung bestimmt war. Sie bricht mitten in Satz 10 ab und wurde erst gegen Ende seines Lebens durch einen Kopisten fortgeführt, dem vermutlich die heute verschollene Fassung von 1724 vorlag. Eine Korrektur dieser Kopie durch Bach selbst erfolgte nur teilweise. Die vierte und damit letztgültige Variante schließlich wird auf das Jahr 1749 datiert. Sie entspricht im Wesentlichen wieder der Struktur von 1724, ist jedoch im instrumentalen Bereich deutlich erweitert und enthält den längeren Satz 33. Zudem sind einige der freien Arientexte tiefgreifend umgedichtet; inwieweit diese Textänderungen, die zum Teil den ehemals beabsichtigten Text-Musik-Bezug aufkündigen, auf Fremdeinwirkung zurückzuführen sind oder sogar erst nach Bachs Tod durchgeführt wurden, konnte letztlich nie erschlossen werden.

Die Johannes-Passion beginnt um 20 Uhr im Kölner Dom und wird von DOMRADIO.DE live übertragen. 
Die Ausführenden sind die Domkantorei Köln und die Kölner Domkapelle unter der Leitung von Winfried Krane. Als Solisten wirken mit: Ingeborg Schilling, Sopran, Bettina Schaeffer, Alt, Maximilian Fieth, Tenor, Benjamin Hewat-Craw, Bass, Philipp Langshaw, Jesus, Thomas Klose, Evangelist. 
Die Reihe "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" wird finanziell unterstützt von der Kulturstiftung Kölner Dom
Der Eintritt ist frei.

KulturstiftungDombau Verein